Arbeitsrecht

Berufsausbildung

Allgemeines

– Wenn ein Auszubildender mehr Zeit in der Berufsschule verbringt als er an diesem Tag arbeiten müsste, fallen keine Überstunden an. Für eine derartige Anrechnung der Zeit für den Berufsschulbesuch auf die wöchentliche Arbeitszeit fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Etwas anderes gilt gem. § 9 Abs. 2 Nr. 1 JarbSchG nur für minderjährige Auszubildende (BAG vom 13.02.2003 – 6 AZR 537/01 – , in: ArbRB 2003, 67).

– Erfüllt der Ausbilder nicht seine Hinweispflicht aus § 4 I Nr. 9 BBiG, haftet er dem Auszubildenden gem. §§ 286, 285, 249 BGB a.F. auf Schadenersatz. Das gilt auch, wenn es der Ausbilder unterlässt, den Auszubildenden auf einen Tarifvertrag hinzuweisen, der erst nach Beginn der Berufsausbildung infolge Allgemeinverbindlicherklärung auf das Ausbildungsverhältnis Anwendung findet (BAG, Urteil vom 24.10.2002 – 6 AZR 743/00 – , in: NZA 2004, 105).

– Nach § 14 I BBiG a. F. endet das Berufsausbildungsverhältnis mit dem Ablauf der Ausbildungszeit. Besteht der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit die Abschlussprüfung, so endet das Berufsausbildungsverhältnis nach § 14 II BBiG a.F. bereits „mit Bestehen der Abschlussprüfung“. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist die Abschlussprüfung erst dann bestanden, wenn das Prüfungsverfahren abgeschlossen und das Ergebnis der Prüfung mitgeteilt worden ist. Diese Voraussetzung ist in der Regel dann erfüllt, wenn der Prüfungsausschuss über das Ergebnis der Prüfung einen Beschluss gefasst und diesen bekannt gegeben hat (BAG, Urteil vom 16.06.2005 – 6 AZR 411/04 -, in: NZA 2006, 680).

– Ein Auszubildender unterliegt während des Bestandes des Ausbildungsverhältnisses einem Wettbewerbsverbot. Verletzt er dieses schuldhaft, ist er schadensersatzpflichtig (BAG, Urteil vom 20.09.2006 – 10 AZR 439/05 -, in: NJW-aktuell 4/2007, XII; NZA 2007, 977).

– Ein Berufsausbildungsverhältnis endet mit Ablauf der vereinbarten Ausbildungszeit (§ 14 BBiG a.F. = § 21 Abs. 1 Satz 1 in der seit dem 01.04.2005 gültigen Fassung). Es verlängert sich nicht über die vereinbarte Zeit hinaus bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Ergebnisses der Abschlussprüfung, wenn diese erst später stattfindet. Denn das Berufsbildungsgesetz sieht für diesen Fall keine automatische Verlängerung vor. Eine Verlängerung findet nur statt, wenn der Auszubildende die Abschlussprüfung nicht bestanden hat. Dann verlängert sich auf sein Verlangen das Berufsausbildungsverhältnis bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung, jedoch längstens um ein Jahr, § 14 Abs. 3 BBiG a.F. (jetzt: § 21 Abs. 3 BBiG). Ansonsten kann nur die zuständige Stelle die Ausbildungszeit auf Antrag verlängern, wenn dies erforderlich ist, damit der Auszubildende das Ausbildungsziel erreicht, § 29 Abs. 3 BBiG a.F. (jetzt: § 8 Abs. 2 BBiG) (BAG, Urteil vom 13.03.2007 – 9 AZR 494/06 -; in: NZA 2007, 1391).

– Schließt ein Versicherungsnehmer, der sich in der Berufsausbildung befindet, eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab und kommt es während der Ausbildungszeit zum Versicherungsfall, so kann sich der Versicherer nicht darauf berufen, der Versicherungsnehmer könne ja einen anderen Beruf erlernen, sondern muss vielmehr die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente zahlen (OLG Dresden, Beschluss vom 18.06.2007 – 4 W 0618/07 -).

– 1. Durch das form- und fristgerechte Weiterbeschäftigungsverlangen eines Mitglieds einer in § 78 a I BetrVG genannten Arbeitnehmervertretung entsteht kraft Gesetzes ein unbefristetes vollzeitiges Arbeitsverhältnis im Ausbildungsberuf (§ 78 a II BetrVG), das die Arbeitgeberin durch einen Antrag nach § 78 a IV 1 Nr. 2 BetrVG auflösen kann. 2. Dem Arbeitgeber ist die Weiterbeschäftigung i.S. des § 78 a IV BetrVG unter anderem dann unzumutbar, wenn zum Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses im Betrieb des Arbeitgebers kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der Auszubildende mit seiner durch die Ausbildung erworbenen Qualifikation dauerhaft beschäftigt werden kann. 3. Die Prüfung der ausbildungsadäquaten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit durch den Arbeitgeber ist auf den Ausbildungsbetrieb beschränkt. 4. Der Arbeitgeber ist zur Weiterbeschäftigung des Auszubildenden zu anderen als den sich aus § 78 a II BetrVG ergebenden Arbeitsbedingungen verpflichtet, wenn sich der Auszubildende zumindest hilfsweise mit einer Beschäftigung zu geänderten Vertragsbedingungen bereit erklärt hat. 5. Ein Auszubildender, der bei Fehlen einer ausbildungsadäquaten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auch zu anderen als den sich aus § 78 a II BetrVG ergebenden Arbeitsbedingungen in ein Arbeitsverhältnis im Ausbildungsbetrieb übernommen werden möchte, muss dem Arbeitgeber unverzüglich nach dessen Nichtübernahmemitteilung (§ 78 a I BetrVG) seine Bereitschaft zu einer Übernahme in ein Arbeitsverhältnis zu geänderten Vertragsbedingungen mitteilen. Dem Arbeitgeber muss ausreichend Zeit für die Prüfung der Bereitschaftserklärung und gegebenenfalls die Durchführung eines Beteiligungsverfahrens nach § 99 I BetrVG verbleiben. 6. Der Auszubildende darf sich nicht darauf beschränken, sein Einverständnis mit allen in Betracht kommenden Beschäftigungen zu erklären oder die Bereitschaftserklärung mit einem Vorbehalt verbinden. Der Auszubildende muss vielmehr die angedachte Beschäftigungsmöglichkeit so konkret beschreiben, dass der Arbeitgeber erkennen kann, wie sich der Auszubildende seine Weiterarbeit vorstellt. Kommt es nach der Bereitschaftserklärung zum Abschluss eines Arbeitsvertrags, wird hierdurch die Entstehung eines Arbeitsverhältnisses aus § 78 a BetrVG abbedungen bzw. abgeändert, wenn die Vereinbarung nach Bestehen der Abschlussprüfung getroffen wird. Lehnt der Auszubildende die ihm vom Arbeitgeber angebotene anderweitige Beschäftigung ab, kann er sich im Verfahren nach § 78 a IV BetrVG nicht darauf berufen, dem Arbeitgeber sei die Beschäftigung zumutbar. 7. Die Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers zu geänderten Arbeitsbedingungen ist gleichfalls betriebsbezogen. Hat der Auszubildende seine Bereitschaft zu einer anderweitigen Beschäftigung im Ausbildungsbetrieb erklärt, muss der Arbeitgeber prüfen, ob ihm diese möglich und zumutbar ist. Unterlässt er die Prüfung oder verneint er zu Unrecht die Möglichkeit und die Zumutbarkeit, so kann das nach § 78 a II BetrVG entstandene Arbeitsverhältnis nicht nach § 78 a IV BetrVG aufgelöst werden. 8. Die betriebsbezogene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit aus § 78 a BetrVG ist in § 3 IV 1 Tarifvertrag Mitbestimmung TTC für Mitglieder der Auszubildendenvertretungen nicht auf Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen oder im Konzern erweitert worden (BAG, Beschluss vom 15.11.2006 – 7 ABR 15/06 -, in: NZA 2007, 1381).

– 1. Wird ein Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst, so kann der Auszubildende Schadensersatz verlangen, wenn der Ausbildende den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. 2. Danach kann der Auszubildende die bis zum vertraglich vereinbarten Beendigungszeitpunkt des Berufsausbildungsverhältnisses ausfallende Ausbildungsvergütung verlangen. Auf diesen Nachteil wird jedoch im Rahmen des von der Rechtsprechung entwickelten adäquat kausalen Vorteilsausgleiches dasjenige angerechnet, was er in dieser Zeit durch eine anderweitige Tätigkeit erworben hat, die er bei Fortsetzung seines Berufsausbildungsverhältnisses nicht hätte ausüben können (BAG, Urteil vom 08.05.2007 – 9 AZR 527/06 -, in: NJW 2007, 3594).

– Nach § 23 Abs. 2 BBiG n.F. können Ausbildende oder Auszubildende Schadensersatz verlangen, wenn das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit aus einem Grunde vorzeitig aufgelöst wird, den die andere Person zu vertreten hat. Der Schadensersatzanspruch setzt nicht die rechtliche Beendigung des Berufsausbildungsverhältnis voraus. Es genügt, wenn sich eine Vertragspartei nach Ablauf der Probezeit endgültig vom Berufsausbildungsverhältnis löst, indem sie ihre Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis dauerhaft nicht mehr erfüllt (sog. tatsächliche Beendigung des Berufausbildungsverhältnisses). Es ist der Schaden zu ersetzen, der durch das vorzeitige Lösen vom Berufsausbildungsverhältnis entstanden ist, §§ 249, 254 BGB. Bei der Schadensermittlung ist das nicht ordnungsgemäß erfüllte Berufsausbildungsverhältnis nach §§ 249 ff. BGB mit einem ordnungsgemäßen zu vergleichen. Zum Schadensersatzanspruch können deshalb auch Aufwendungen gehören, die notwendig sind, um die Ausbildung in einer anderen Ausbildungsstätte fortzusetzen. Nach § 23 Abs. 2 BBiG n.F. erlischt der Anspruch auf Schadensersatz, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht wird. Maßgebend für den Fristbeginn ist das vertragsgemäße rechtliche Ende des Berufsausbildungsverhältnisses i.S.v. § 21 Abs. 1 BBiG n.F. § 23 Abs. 2 BBiG n.F. enthält keinen eigenständigen, von § 21 BBiG n.F. abweichenden Begriff der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses (BAG vom 17.07.2007 – 9 AZR 103/07 -).

– Die Aufhebung eines Umschulungsvertrags i.S. von §§ 1 IV, 47 BBiG a.F. bedarf nicht gem. § 623 BGB der Schriftform. Durch die Beschränkung dieser Vorschrift auf das Arbeitsverhältnis erfasst sie nicht ein Dienstverhältnis, das nicht die Merkmale eines Arbeitsverhältnisses aufweist. § 623 BGB findet auf einen solchen Umschulungsvertrag auch keine entsprechende Anwendung (BAG, Urteil vom 19.01.2006 – 6 AZR 638/04 – (LAG Sachsen), in: NJW 2006, 2796; NZA 2007, 97).

– Die Übernahme eines durch § 78 a BetrVG geschützten Auszubildenden ist dem Arbeitgeber nicht allein deshalb unzumutbar, weil er sich entschlossen hat, einen Teil der in seinem Betrieb anfallenden Arbeitsaufgaben künftig Leiharbeitnehmern zu übertragen (BAG, Beschluss vom 16.7.2008 – 7 ABR 13/07 -).

– Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses nach § 24 BBiG setzt voraus, dass der Ausbilder Kenntnis von der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses hat (LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.4.2007 – 13 Sa 330/07 (Revision eingelegt unter 3 AZR 427/07) -).

– 1. Ein Arbeitsverhältnis nach § 24 BBiG durch Beschäftigung über das Ende des Berufsaubildungsverhältnisses hinaus entsteht nicht, wenn das Berufsausbildungsverhältnis im Anschluss an die vereinbarte Ausbildungszeit verlängert wird. Der Auszubildende wird dann gerade nicht „im Anschluss“ an das Berufsausbildungsverhältnis beschäftigt. 2. Das Berufsausbildungsverhältnis wird nicht kraft Gesetzes automatisch verlängert, wenn die Prüfung erst nach Ende der vereinbarten Ausbildungszeit abgelegt wird. Es bleibt offen, ob in erweiternder oder entsprechender Anwendung von § 21 III BBiG in diesen Fällen der Auszubildende eine Verlängerung bis zur Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses verlangen kann. 3. Eine Verlängerung kann der Auszubildende im öffentlichen Dienst in diesen Fällen nach § 16 II i. V. mit § 16 I 2 TVAöD verlangen. Diese tarifliche Regelung begegnet keinen rechtlichen Bedenken (BAG, Urteil vom 14.01.2009 – 3 AZR 427/07 -; in: NZA 2009, 738).

– 1. Die praktische Tätigkeit unterliegt nicht dem Berufsbildungsgesetz, wenn sie im Rahmen eines Hochschulstudiums erbracht wird. Das gilt auch für ein Hochschulstudium an einer staatlich anerkannten privaten Hochschule. Voraussetzung ist, dass der Ausbildungsabschnitt durch staatliche Entscheidung anerkannt ist. 2. Das Berufsbildungsgesetz verbietet es nicht, dass der Ausbildende die Rückzahlung von verauslagten Studiengebühren verlangt. 3. Eine Rückzahlungsverpflichtung, die auch für den Fall vereinbart ist, dass der potenzielle Arbeitgeber dem potenziellen Arbeitnehmer keinen ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz anbieten kann oder will, hält regelmäßig einer Inhaltskontrolle anhand des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht stand (BAG, Urteil vom 18.11.2008 – 3 AZR 192/07 -; in: NJW 2009, 1532).

– Ein Arbeitgeber kann verpflichtet sein, einen Jugend- und Auszubildendenvertreter nach erfolgreicher Beendigung der Ausbildung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen, wenn es im Betrieb einen ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz gibt, der mit einem Leiharbeitnehmer besetzt ist. Nach § 78a II 1 BetrVG gilt mit einem Auszubildenden, der Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung ist, im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit begründet, wenn er in den letzten drei Monaten vor der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses vom Arbeitgeber schriftlich die Weiterbeschäftigung verlangt hat. Der Arbeitgeber kann nach § 78a IV BetrVG bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Ende des Berufsausbildungsverhältnisses beim Arbeitsgericht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragen, wenn ihm die Weiterbeschäftigung unter Berücksichtigung aller Umstände nicht zugemutet werden kann. Beschäftigt er auf dauerhaft eingerichteten, ausbildungsadäquaten Arbeitsplätzen Leiharbeitnehmer, so kann es ihm zumutbar sein, einen solchen Arbeitsplatz für den zu übernehmenden Jugend- und Auszubildendenvertreter freizumachen. Die Zumutbarkeit richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei können das berechtigte betriebliche Interesse an der Weiterbeschäftigung des Leiharbeitnehmers oder vertragliche Verpflichtungen des Arbeitgebers gegenüber dem Verleiher von Bedeutung sein (BAG, Beschluss vom 17.02.2010 – 7 ABR 89/08 -).

– Nach § 4 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz ist die Ausbildung für einen anerkannten Ausbildungsberuf nur nach der Ausbildungsordnung zulässig. Die Ausbildung hat grundsätzlich in einem Berufsausbildungsverhältnis stattzufinden. Soll ein solches nicht vereinbart werden, kann statt dessen auch ein Arbeitsverhältnis begründet werden. Es ist jedoch unzulässig, die Ausbildung in einem anderen Vertragsverhältnis nach § 26 Berufsbildungsgesetz, etwa einem „Anlernverhältnis“, durchzuführen. Derartige Verträge sind wegen des Gesetzesverstoßes insgesamt nach § 134 BGB nichtig. Trotzdem eingegangene „Anlernverhältnisse“ sind für den Zeitraum ihrer Durchführung entsprechend den Regeln über das Arbeitsverhältnis auf fehlerhafter Vertragsgrundlage (sog. faktisches Arbeitsverhältnis) wie ein Arbeitsverhältnis zu behandeln. Zu zahlen ist die im Sinne von § 612 Abs. 2 BGB für Arbeitsverhältnisse übliche Vergütung (BAG, Urteil vom 27.07.2010 – 3 AZR 317/08 -; in: NZA-aktuell 15/2010, VIII).

– Wird das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig gelöst, so kann der Auszubildende nach § 23 I 1 BBiG Ersatz des Schadens verlangen, wenn der Ausbildende den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. So hat der zum Schadensersatz verpflichtete Ausbildende dem Auszubildenden die entgangene Ausbildungsvergütung zu zahlen. Dagegen umfasst der Schadensersatzanspruch keine Abfindung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG. (BAG, Urteil vom 16.07.2013 – 9 AZR 784/11 -; in: NZA 2013, 1202).

– 1. Eine erneute Vereinbarung einer Probezeit ist bei Vereinbarung eines rechtlich neuen Berufsausbildungsverhältnisses unzulässig, wenn zu einem vorherigen Ausbildungsverhältnis derselben Parteien ein derart enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass es sich sachlich um ein Berufsausbildungsverhältnis handelt. Insoweit ist § 20 S. 1 BBiG, nach dem jedes nach einer rechtlichen Unterbrechnung neu begründete Ausbildungsverhältnis mit einer Probezeit beginnt, teleologisch zu reduzieren. 2. Ob ein enger sachlicher Zusammenhang in vorstehendem Sinne vorliegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalls festzustellen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines einheitlichen Berufsausbildungsverhältnisses trägt der Auszubildende (BAG, Urteil vom 12.02.2015 – 6 AZR 831/13 -; in: NZA 2015, 737).

– 1. Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden kann einen wichtigen Grund zur Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses nach § 22 II Nr. 1 BBiG darstellen, wenn der Verdacht auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar macht. 2. Der Ausbildende hat erst dann alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, wenn er dem Auszubildenden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Es ist dabei grundsätzlich erforderlich, den Auszubildenden vor Durchführung einer Anhörung über den beabsichtigten Gesprächsinhalt zu unterrichten. 3. Die Anhörung kann den Auszubildenden unter Umständen allerdings erkennbar überfordern, sei es in psychischer Hinsicht oder wegen der Komplexität des Sachverhalts. Es entspricht dann der Rücksichtnahmepflicht des Ausbildenden, das Gespräch abzubrechen und eine erneute Anhörung anzuberaumen, wenn der Auszubildende grundsätzlich zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Verdachtsmomenten bereit ist. 4. Die Unterbrechnung der Anhörung ist auch geboten, falls der Auszubildende die Beratung mit einem Rechtsanwalt odereiner sonstigen Vertrauensperson verlangt. Der Ausbildende ist jedoch nicht verpflichtet, den Auszubildenden auf diese Möglichkeit hinzuweisen (BAG, Urteil vom 12.02.2015 – 6 AZR 845/13 -; in: NZA 2015, 741).

– 1. Auszubildende, die durch ihr Verhalten bei einem Beschäftigten desselben Betriebs einen Schaden verursachen, haften nach den gleichen Regeln wie andere Arbeitnehmer. Das Haftungsprivileg des Arbeitnehmers und die Vorschrift des § 828 III BGB reichen aus, um den Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses im Betrieb Rechnung zu tragen und Auszubildende ausreichend zu schützen (BAG, Urteil vom 19.03.2015 – 8 AZR 67/14 -; in: NZA 2015, 1057).

– Die Dauer eines vorausgegangenen Praktikums ist auf die Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis nicht anzurechnen (BAG, Urteil vom 19.11.2015 – 6 AZR 844/14 -; in: NZA 2016, 228).

1. Nach § 20 S. 2 BBiG muss die Probezeit mindestens einen Monat und darf höchstens vier Monate betragen. Ist die Regelung der Probezeit in einem Formularausbildungsvertrag enthalten, unterliegt eine Klausel hinsichtlich der Dauer der Probezeit einer Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB. 2. Die Parteien können für den Fall einer Unterbrechung der Ausbildung während der Prozebezeit um mehr als ein Drittel der Probezeit vereinbaren, dass sich die Probezeit um den Zeitraum der Unterbrechung verlängert. Eine solche Regelung ist weder gemäß § 25 BbiG nichtig noch handelt es sich um eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 I 1, II BGB. Die Verlängerung dient der Erfüllung des Zwecks der Probezeit und liegt letztlich im Interesse beider Vertragsparteien. 3. Grundsätzlich kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen die Ausbildung ausgefallen ist und aus wessen Sphäre sie stammen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kann sich der Ausbildende aber nicht auf die vertragliche Verlängerung der Probezeit berufen, wenn er die Unterbrechung der Ausbildung selbst vertragswidrig herbeigeführt hat. (BAG, Urteil vom 09.06.2016 – 6 AZR 396/15 -; in: NZA 22/2016, 1406).

§ 22 II Nr. 2 BbiG legt keine zwingende Kündigungsfrist fest, die vom Auszubildenden nicht überschritten werden darf. Deshalb darf der Auszubildende bei einer Berufswechselkündigung das Ausbildungsverhältnis zu dem von ihm beabsichtigten Zeitpunkt der Aufgabe der Berufsausbildung auch mit einer längeren als der gesetzlich normierten Frist von vier Wochen kündigen. (BAG, Urteil vom 22.02.2018 – 6 AZR 50/17 -; in: NZA 9/2018, 575).

– 1. Besteht der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit die Abschlussprüfung, so endet das Berufsausbildungsverhältnis nach § 21 II BbiG mit Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Prüfungsausschuss. Wird nach Abschluss der schriftlichen Prüfung eine mündliche Ergänzungsprüfung angesetzt, von der allein das Bestehen der Abschlussprüfung abhängt, tritt das vorzeitige Ende des Berufsausbildungsverhältnisses mit der verbindlichen Mitteilung des (Gesamt-) Ergebnisses in dem Prüfungsbereich ein, in dem die Ergänzungsprüfung stattfand. 2. Der Eintritt der in § 24 BbiG angeordneten Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses setzt in subjektiver Hinsicht regelmäßig voraus, dass der Ausbildende Kenntnis sowohl von der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses als auch einer Weiterbeschäftigung des Auszubildenden hat. Endet das Berufsausbildungsverhältnis nach § 21 II BbiG vorzeitig mit Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Prüfungsausschuss, ist der subjektive Tatbestand des § 24 BbiG erfüllt, wenn er dem Auszubildenden Arbeit zuweist, obwohl er weiß, dass die von diesem erzielten Prüfungsergebnisse zum Bestehen der Abschlussprüfung ausreichen. Er muss keine Kenntnis darüber haben, ob dem Auszubildenden das Ergebnis der Abschlussprüfung durch den Prüfungsausschuss eröffnet worden ist. 3. Ist der Umstand, ob der Ausbildende den Auszubildenden in Kenntnis der bestandenen Abschlussprüfung weiterbeschäftigt hat, zwischen den Parteien streitig, gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Auszubildende hat zunächst einen Sachverhalt vorzutragen, der das Vorliegen einer entsprechenden Kenntnis des Auszubildenden indiziert. Hierzu muss sich dieser nach § 138 II ZPO im Einzelnen einlassen. Dazu kann er einzelne Tatsachen konkret bestreiten oder Umstände vortragen, welche den Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen. Genügt er diesen Anforderungen nicht, gilt der schlüssige Sachvortrag des Auszubildenden gemäß § 138 III ZPO als zugestanden. Erschüttert der Ausbildende die vom Auszubildenden vorgetragenen Indizien für eine Kenntnis vom Bestehen der Abschlussprüfung und der sich anschließenden Weiterbeschäftigung, bleibt es bei dem Grundsatz, dass der Auszubildende die subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 24 BbiG darlegen und beweisen muss. (BAG, Urteil vom 20.03.2018 – 9 AZR 479/17 -; in: NZA 14/2018, 943).

Durch die Verletzung der in § 22 Abs. 1 des Manteltarifvertrages für Auszubildende im öffentlichen Dienst vom 06.12.1974 (idF vom 20.11.1980) vorgesehenen Mitteilungspflichten des Ausbildenden in ein Arbeitsverhältnis) wird ein Arbeitsverhältnis nicht begründet. (BAG, Urteil vom 30.11.1984 – 7 AZR 539/83 -, in: juris).

Ausbildungsvergütung

– Ein Auszubildender hat nach § 10 Berufsbildungsgesetz Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Eine Ausbildungsvergütung, die um mehr als 20% unter den Empfehlungen der zuständigen Kammer liegt, ist nicht mehr angemessen (BAG, Urteil vom 30.09.1998 – 5 AZR 690/97).

– Verbringt ein volljähriger Auszubildender mehr Zeit in der Berufsschule, als die für den Tag geltende Arbeitszeit, so muss der Arbeitgeber diese Zeit nicht als Überstunden abrechnen. Diese längere Berufsschulzeit kann nicht auf die wöchentliche Ausbildungszeit angerechnet werden (BAG, Urteil vom 13.02.2003 – 6 AZR 537/01).

– Wird ein Auszubildender direkt im Anschluss an sein Ausbildungsverhältnis übernommen, so hat er schon in den ersten vier Wochen seiner Beschäftigung Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Ausbildungs- und Arbeitsverhältnis bilden im Rahmen der nach § 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz vorgesehenen Wartezeit eine Einheit, so dass ein sofortiger Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht (BAG, Urteil vom 20.08.2003 – 5 AZR 436/02 -).

– Eine Ausbildungsvergütung, die weniger als 80 % der tariflichen Vergütung beträgt, ist bei Ausbildungsverhältnissen, die nicht durch öffentliche Gelder finanziert werden, in der Regel nicht mehr angemessen i. s. von § 10I 1 BbiG ( BAG, Urteil vom 08.05.2003 – 6 AZR 191/02 – , in: NZA 2003, 1343).

– Wird der Auszubildende im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis übernommen, entsteht keine neue Wartezeit gem. § 3 III EFZG für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (BAG, Urteil vom 20.08.2003 – 5 AZR 436/02 –, in: NZA 2004, 206).

– Nach § 10 I BBiG hat der Auszubildende Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Eine Ausbildungsvergütung, die sich an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichtet, ist stets als angemessen anzusehen. Dagegen kann bei Ausbildungsverhältnissen, die ausschließlich durch öffentliche Gelder und private Spenden zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze finanziert werden und zudem für einen nicht tarifgebundenen Ausbilder mit keinerlei finanziellen Vorteilen verbunden sind, die vereinbarte Vergütung die tariflich geregelte Ausbildungsvergütung erheblich unterschreiten (BAG, Urteil vom 24.10.2002 – 6 AZR 626/00 -, in: NZA 2003, 1204).

– 1. Nach § 10 I 1 BBiG a.F., § 17 I 1 BBiG n.F. hat der Ausbildende dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren. 2. Die Angemessenheit der Vergütung wird unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls festgestellt. Hierbei ist auf die Verkehrsanschauung abzustellen. Wichtigster Anhaltspunkt sind dafür die einschlägigen Tarifverträge, da sie von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt sind und anzunehmen ist, dass in ihnen die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt sind. 3. Ausbildungsvergütungen werden regelmäßig für alle Ausbildungsverhältnisse unabhängig davon, für welchen Ausbildungsberuf die Ausbildung erfolgt, in den entsprechenden Tarifverträgen des jeweiligen Gewerbezweiges geregelt. Eine Differenzierung danach, welchen Abschluss die Ausbildung zum Ziel hat, erfolgt nach den einschlägigen Tarifverträgen nicht. Entscheidend kommt es nur auf den Gewerbe- bzw. Industriezweig an, in welchem die Ausbildung stattfindet (BAG, Urteil vom 15.12.2005 – 6 AZR 224/05 -, in: NZA 2007, 1392).

– Die angemessene Ausbildungsvergütung orientiert sich nicht am Budget, sondern ist bei der Festlegung des Budgets zu berücksichtigen. Unterschreitet die vereinbarte Ausbildungsvergütung nicht tarifgebundener Parteien das Tarifniveau um mehr als 20 %, ist sie nur ausnahmsweise angemessen. Eine solche Ausnahme kann z.B. anzunehmen sein, wenn Ausbildungsplätze für Personengruppen geschaffen werden, die sonst nur unter erheblichen Schwierigkeiten einen Ausbildungsplatz finden könnten, und die Ausbildung teilweise oder vollständig durch öffentliche Gelder finanziert wird (BAG, Urteil vom 19.02.2008 – 9 AZR 1091/06 -; in: NZA-aktuell 5/2008, VIII).

– In einem durch Zuschüsse der Bundesagentur für Arbeit finanzierten Ausbildungsverhältnis kann eine Ausbildungsvergütung in Höhe der Leistungssätze noch angemessen sein, obwohl sie das Tarifniveau um deutlich mehr als 20 % unterschreitet (BAG, Urteil vom 22.01.2008 – 9 AZR 999/06 -; in: NJW 2008, 1833).

– 1. Ausbildende haben Auszubildenden nach § 17 I BBiG ene angemessene Vergütung zu gewähren. Maßgeblich für die Ermittlung der angemessenen Vergütung ist die Verkehrsanschauung. In Ermangelung einschlägiger Tarifverträge kann zur Bestimmung der Verkehrsanschauung auf Empfehlungen der Industrie- und Handelskammern oder der Handwerksinnungen zurückgegriffen werden. Eine Orientierung an der Berufsausbildungsbeistelle scheidet dagegen aus. 2. Bleibt die vereinbarte Ausbildungsvergütung um mehr als 20 % hinter der nach der Verkehrsanschauung angemessenen zurück, ist die Ausbildungsvergütung grundsätzlich unangemessen mit der Rechtsfolge, dass die volle von der Verkehrsanschauung als angemessen angesehene Vergütung zu zahlen ist. Eine geltungserhaltende Reduktion der vertraglichen Vereinbarung bis zur Grenze dessen, was die Parteien im Rahmen des § 17 I BBiG hätten vereinbaren können, kommt nicht in Betracht (BAG, Urteil vom 16.07.2013 – 9 AZR 784/11 -; in: NZA 2013, 1202).

– 1. Eine Ausbildungsvergütung ist in der Regel nicht angemessen im Sinne von § 17 I 1 BBiG, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 von Hundert unterschreitet. Wird die Ausbildung jedoch teilweise oder vollständig durch öffentliche Gelder oder Spenden zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze finanziert, kann eine Ausbildungsvergütung auch bei deutlichem Unterschreiten dieser Grenze noch angemessen sein. 2. Eine Ausbildungsvergütung, die eine nach Ausbildungsjahren gestaffelte, steigende Vergütung vorsieht, steht im Einklang mit § 17 I 2 BbiG. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass die Vergütung darüber hinaus nach dem Lebensalter des Auszubildenden gestaffelt wird. 3. Bei der Geltendmachung der angemessenen Ausbildungsvergütung muss der Auszubildende nicht die Ausschlussfristen des Tarifvertrags wahren, den er zum Beleg der Unangemessenheit der vereinbarten Vergütung heranzieht (BAG, Urteil vom 29.04.2015 – 9 AZR 108/14 -; in: NZA 2015, 1384).

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